"Geschichtliche Spurensuche"

"Buchheimische Rebeller" um 1660

von Thomas Steffens 

Nach dem Tode des Herrn Ulrich Stürtzel 1620 hatte sein ältester Sohn Georg Wilhelm aus dem Erbe die Lehen Buchheim und Hochdorf erhalten, sein Bruder Johann Sebastian das "Eigengut" Hugstetten. Letzterem gelang es nach dem Tod seines Bruders 1644 und als Vormund von dessen minderjährigem Sohn Johann Wilhelm, zusätzlich das Lehen Hochdorf an sich zu bringen. Damit blieb Johann Wilhelm, als er um 1650 die Volljährigkeit erreichte, nur die Herrschaft in Buchheim. Das begründete nicht nur eine erbitterte Feindschaft gegen seinen Onkel, sondern wirkte sich auch auf sein Verhältnis zu den Buchheimer Untertanen aus. Aus diesen suchte der "Junker" offenbar all jene Frondienste und Abgaben herauszupressen, die sich vorher noch auf Buchheim, Hochdorf und Benzhausen verteilt hatten.

Kein Wunder, daß sich die Gemeinde Buchheim bei den vorderösterreichischen Behörden beschwerte. Ein undatiertes Schriftstück – niedergeschrieben um 1660 – im Archiv v. Menzingen enthält in 34 Punkten ihre "Clag und Beschwerdten" gegen den Herrn Johann Wilhelm Stürtzel. Dieser hat auf die Rückseite seine Meinung dazu geschrieben: "Die gantze Gemeindt Buechaimische Rebeller betreffend".
 

Wir geben den Text hier des öfteren im Wortlaut bzw. damaliger Schreibweise und knapp kommentiert (in Klammern) wieder.

Die Buchheimer müssen Frucht (Getreide) oder Gemüse, die der Herr auf dem Freiburger Markt verkaufen lassen will oder die er dortigen Handwerksleuten schuldet, "in der Fron" (also unentgeltlich) in die Stadt führen, "es seye auch Wetter wie es wolle, undt wann schon die Stein und Bein zusammen gefroren undt wir arme Leuth anders nit meinen, dann das es unmöglich zu fahren". Der Junker duldet aber keinen Verzug.

Die Taglöhner (Einwohner die kein Gespann haben, keine eigene Bauernwirtschaft treiben und sich bei Bauern um Lohn verdingen) müssen zur Winterszeit für den Herrn "eine grosse Summa (Menge) Holtz machen, spalten und überhauffen setzen und die Pauren mit ihren Zügen (Gespannen) alßdann heim auf den Hoff (des Schlosses) führen."

Bei einer besonders schwerer Fronarbeit ist einer, der gesagt hat: "Wann wir alle Tag frohnen müssen, soll uns auch der Junckher den gantzen Tag zu essen geben" – mit einer Geldstrafe von 1 Cronen oder den "Turm" (Gefängnis) gestraft worden. Dabei war ihm durch der Fronarbeit schon früher einnmal ein Ochse eingegangen.

Wenn der Herr Güter verkauft oder kauft, müssen die Taglöhner das betreffende Grundstück säubern und die Bauern das Gestrüpp wegfahren.

Die Zehntscheuer muß ebenfalls in der Fron "ausgebutzt" und der Schloßhof gekehrt werden.

Im Heuet (Heuernte, wo jede Arbeitskraft gebraucht wird) dürfen die Taglöhner nicht ums Brot bei den Bauern arbeiten. Sondern sie müssen zu Haus bleiben, nur für den Fall, daß der Junker sie für seine eigenen Wiesen zum Mähen braucht. Ähnlich ist es bei der Fruchternte. Da muß man außerdem 3 oder 4 Tage aneinander fronen ohne Lohn und gegen schlechtes Essen.

Die Bauern müssen im ganzen Bann herumfahren um den Fruchtzehnten einzuholen. (Die Zehntabgabe, d. h. jede zehnte Garbe, wurde bei der Ernte auf den Feldern liegengelassen.) Was den Hanfzehnten angeht, so müssen sie den Hanf aufs Wasser führen und einlegen (in die Hanfretzen), auswaschen, wegführen, aufstellen, drucknen (trocknen), zusammenbinden und heimführen. Die arme "Taglöhner Weyber" müssen ihn dann brechen.

Wer ein Roß hat, muß es dem Junker auf Anforderung für seine "Gutschen" oder zum Reiten jederzeit hergeben; neulich hat der herrschaftliche Diener ein Roß 45 Tage lang für verschiedene Reisen ohne Entgelt genutzt. (Dazu muß man bedenken, daß ein teures Pferd fast stets das einzige im Stall war.)

Die Taglöhner müssen den herrschaftlichen Krautgarten und "Vogelplatz" pflegen. (Letzteres vermutlich ein Platz, wo Vögel mit Leimruten oder Netzen gefangen wurden.)

Die Gemeinde muß auf ihre Kosten drei Hirten halten, nur weil die Herrschaft so viele Rinder, Schweine und Schafe hat, der Herr gibt aber nichts zum Hirtenlohn dazu.

Im Buchheimer "gemeinen Wald" (Buchheimer Allmend, nicht zum gemeinsamen Wald der sechs Marchdörfer gehörig) läßt die Herrschaft jetzt ohne weiteres Eichen abhauen, die vordem auch um viel Geld nicht verkaufen durfte, obwohl er doch im gemeinsamen Marchwald sein Recht zum Beholzen hat. "Wenn es in unserm Wald ein Egerig (Äckericht: Schweinemast aus Eicheln und Bucheckern) hat, jagt Er nit allein seine Schwein alle darein, sondern nimbt noch andere frembde Schwein darzu an", obwohl doch sein Herr Vatter "nit mehr als fünff oder sechs (eigene Schweine ) darin hatt lassen treiben."

Die Bauern müssen oft Wein aus dem ganzen Breisgau oder gar aus dem Elsaß heranholen.

Sie müssen den Junker Stürtzel, den Edelmann von Neuershausen (Franz Ludwig von Kageneck) und den "Rotberger" (Familie von Rotberg, Johann Wilhelm Stürtzels Verwandte mütterlicherseits) auf einem Wagen fahren, der mit Stieren oder Ochsen bespannt ist, und werden dabei zum "Rennen" genötigt.

Der Junker hat 1658 kurz vor dem Heuet mit der Herstellung eines neuen Wasserbaues für die Buchheimer Mühle begonnen. Die Bauern müssen dafür in der Fron Holz heranfahren, bis weit in die Erntezeit hinein. Dasselbe geschieht ein Jahr später beim Bau einer Stampfe. (Größere Mengen Hanf wurden maschinell mit Wasserkraft gestampft.) Auch für Bauten auf dem Schloßgelände müssen Holz, Steine, Kalk usw. in der Fron herangefahren werden.

Die Buchheimer allein müssen jetzt auf den herrschaftlichen Äckern, deren Zahl immer mehr zunimmt, mehr fronen als früher die Buchheimer, Hugstetter, Hochdorfer und Benzhausener zusammen. (Dies ist eine Folge der ober erwähnten Trennung innerhalb der Familie Stürtzel.)

Sie müssen den Junker nach oder von Liel, Offenburg oder Freiburg fahren und holen, wann er will. (Johann Wilhelm Stürtzels Großvater väterlicherseits, Ulrich Stürtzel, war mit Ursula von Baden zu Liel verheiratet gewesen.)

Der Junker erwirbt Bauerngüter durch Kauf, Tausch oder "Fahl". ("Todfall": Der Herr beansprucht vom Erbe eines verstorbenen Untertanen einen Vermögenswert, in diesem Fall einen Acker, was ausgesprochen unüblich war.) Diese müssen von den Bauern zusätzlich in der Fron bebaut werden. Seine Eltern und Voreltern haben das nicht getan.

Wenn der Junker Dienstleute braucht, nimmt er oft einen Bauernknecht oder eine Magd aus ihrem Dienst - auch wider ihren Willen – und stellt sie selbst ein.

Die Buchheimer müssen für die Herrschaft sehr viel Boten laufen.

"Die Taglöhnerweiber müssen gar böses Werckh (schlechtes, grobes Hanfgarn) um halben Lohn spinnen."

Die Buchheimer haben "schwache Züge" (schwache Zugtiere) und müssen beim Holzführen im tiefen Morast geringer laden, da es in die Allmend (am heutigen Autobahnzubringer Nord) auch ein weiterer Weg ist. Da "schmäht sie der Junker und sagt, wir laden auf wie die Schelmen" ("Schelm" war früher ein böses Schimpfwort, im Sinne von "Aas" oder "Halunke").

Bei der Gemeindefröhnung (Pflichtarbeit für die Gemeinde) nimmt er Fröhner für seine eigenen Zwecke.

Als die Buchheimer einmal Holz zu einem Gläubiger der Herrschaft nach Freiburg fahren sollten und sich deshalb beschwerten, wurden einfach drei Männer vorgerufen, die bei 3 Cronen Strafe fahren mußten.

Der "grosse eyWer" (am Schloß Buchheim) ist von 6 Frönern ausgestochen und die Erde aufgeschüttet worden. Der alte Herr (Ulrich oder Georg Wilhelm Stürtzel, Großvater bzw. Vater Johann Wilhelms) hat ihnen guten Lohn gegeben, jetzt aber ist ihnen durch den Vogt verkündet worden, sie müßten eine ganze Woche lang zur Hälfte in der Fron arbeiten, zu Mittag gebe es ein Stück Brot. Es seien aber "viel über tausend Wägen" Erde wegzubringen.

Vor dem (Dreißigjährigen) Krieg seien allzeit im Spätjahr drei Gerichte (Dorfgerichte der Gemeinde) gewesen, "wann sich etwan streitige Partheyen erhöbt haben, so hat ein armer Underthan auch zu seinen Rechten kommen können". "Jetzunder aber ist es weit ein anderes, undt seidt es Frid worden, niemahlen kein Gericht gehalten worden in unserer Gemeindt."

Dagegen wird jedes Jahr ein "Fräffel oder Rueck-Gericht" gehalten (Frevel- oder Rüg-Gericht, das nicht der Gemeinde, sondern der Herrschaft zusteht) "und ist kein Richter darbey, allein Junckher, Vogt undt der Schriber, so straft uns der Junckher nach seinem Belieben." (Es ist bei diesen Gerichten kein gewählter Gerichtsmann als Vertreter der Bauern anwesend.)

Die Gemeinde muß alle Jahre den Mühlbach putzen, und der Junker läßt den Bach abschlagen ohne Rücksicht auf Felder und Wiesen, die dadurch verdorben werden.

In der Gemeinde Buchheim sind 15 Handfröhner, 12 mit Ochsen, 1 mit Roß. (Bauern fronten mit dem Gespann, Taglöhner mit der Hand. Jeder Haushalt stellte einen Fröner; wenn die Angabe richtig ist – 28 Fröner -, hatte Buchheim um 1660 weniger Haushalte als 1525, vielleicht noch eine Folge des Dreißigjährigen Krieges).

Neben diesen schweren Frohndiensten ist es "unß unmüglich, Weib und Kindt zu erhalten undt auch die schweren Boden-Zins (Natural- oder Geldabgaben von jedem Grundstück) abzurichten, so in die Gotteshäuser (Klöster) gehörig". Es "seindt in unsrer Gemeindt nit mehr als 5 oder 6, die von einer Erndt bis zu der andern gnueg Frucht haben oder die Bodenzinß können abrichten".
 

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