Geschichtliche Spurensuche

Auf der Suche nach dem "Turm" zu Hugstetten

von Thomas Steffens

Wie kam der Turm ins Hugstetter Wappen? Bei zwei ähnlichen Gemeindewappen bzw- -siegeln aus unserem Landkreis ist dies geklärt. Die ehemals selbständige Gemeinde Burg bei Kirchzarten hat einen Turm als Anspielung auf den Ortsnamen ("redendes" Wappenbild). Schelingen (Stadt Vogtsburg) übernahm seinen Turm aus dem Wappen seines letzten vorderösterreichischen Grundherrn, des Fürsten von Schwarzenberg. Im Falle Hugstettens passt weder das eine noch das andere; auch Herrschaftswappen mit Türmen kommen in der Ortsgeschichte nach bisherigen Informationen nicht vor.

Daß es in Hugstetten tatsächlich – und zwar mindestens bis ins 15. Jahrhundert -  eine mittelalterliche Burg gab, lässt sich in schriftlichen Quellen eindeutig nachweisen. 1317 erwähnt eine Urkunde einen Acker, der ze der bürge (bei der Burg) lag. Wo diese gestanden hat, geht aber aus diesem Schriftstück nicht hervor.

Wahrscheinlich denken die meisten Leute, wenn sie "Burg" hören, an eine Höhenburg. So wurde – und wird –die Hugstetter Burg immer wieder auf dem Mühlenberg vermutet. Dessen nach Süden vorspringender Sporn wäre durchaus ein geeigneter Platz für eine Höhenburg. Und es gibt auch einen vagen schriftlichen Hinweis: Um 1450 werden ein bis zwei Grundstücke uff dem mülleberg (Mühlenberg) ... an dem burg graben erwähnt.

Ein Burggraben, der sich – wenn auch stark verflacht – heute noch in der Landschaft abzeichnen müßte, ist aber auf dem Mühlenberg nicht vorhanden. Überhaupt weisen frühere Burgstandorte – selbst wenn nicht das kleinste Stück Mauer mehr erhalten ist – bestimmte Geländeformen auf: Man erkennt alte Grabeneinschnitte und Wallanlagen, oft auch die kegelstumpfartig erhöhte Position der ehemaligen Kernburg. In Eichstetten, Nimburg oder auf dem "Bürgle" in Köndringen haben sich solche Geländeformen trotz Rebterrassierung erhalten. Es fragt sich, ob im Falle Hugstettens durch landwirtschaftliche Nutzung (Acker, Reben, Garten), durch den Steinbruch (Roter Felsen) oder, nach 1800, durch die Anlage des Schloßparks das Gelände so stark verändert werden konnte, daß alle älteren Strukturen restlos beseitigt worden sind.

Zu diesen Bedenken kommt hinzu, dass auf dem südlichen Mühlenberg bisher noch keine archäologischen Funde zum Vorschein gekommen sind. Das gilt insbesondere auch für den Bereich am ehemaligen "Belvedere". Dieser ist im 19. Jahrhundert neu erbaut worden und nicht, wie manchmal behauptet wird, auf den Überresten eines älteren Burgturms. Fazit: Bis auf weiteres müssen wir davon ausgehen, dass eine Höhenburg auf dem Hugstetter Mühlenberg nicht bestanden hat.

Möglicherweise hat sich die Angabe uff dem mülleberg... an dem burg graben aber gar nicht auf die Höhe des Mühlenbergs bezogen, sondern auf seinen Westhang gegen den Mühlbach. Dort beginnt auf der anderen Seite der engere Schlossbereich, und in diesem Umkreis hat sich – das wissen ziemlich sicher – eine Niederungsburg des späten 14. und 15. Jahrhunderts befunden. Von ihr waren 1670 noch so bedeutende Reste vorhanden, dass sie damals als Burgstahl (Burgstelle, abgegangene Burg) beschrieben wurde: ein Anwesen im Besitz der Stürtzel von Buchheim, so in einer grossen Behausung, einem Mayer Haus, Scheuren, Stahlung und Krauthgarthen bestehet, und ringsherum von einer Mauren umfasset (ist). Insbesondere das "Meyerhaus" (Verwalterhaus) weist uns den Weg. Diese Burgstelle dürfte sich unweit vom "alten Schloß" befunden haben. Vielleicht stand sie am Platz des heutigen Schlosses, vielleicht auch etwas nördlich davon.

Historisch wissen wir nicht allzu viel von der Hugstetter Niederungsburg, insbesondere nichts von ihrer Erbauung und Frühzeit. Vor der 1317 erwähnten bürge lässt sich nichts sonst in Erfahrung bringen.

Vieles spricht dafür, daß es sich hier um einen Nachfolgebau des im ausgehenden 14. und frühen 15. Jahrhundert bezeugten "Turms" handelte, der 1446 "Burgstall" genannt wurde. Die Anlage war folglich schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts abgegangen; Reste könnten sich in der 1670 erwähnten grossen Behausung erhalten haben. Das Stürtzelsche Anwesen lag mit Sicherheit im heutigen Schloßbereich westlich des Mühlenbergs; zu ihm gehörte

Der spätmittelalterliche Turm war also offenbar eine Niederungsburg. Ihr genauer Standort läßt sichheute nicht mehr ausmachen. Um 1800 wurde das gesamte Areal durch den Bau des Herrenhauses und die Anlage eines ausgedehnten Parks grundlegend umgestaltet.

Eine Adelsfamilie, die sich nach Dorf und Burg Hugstetten benannte, ist nicht bekannt. Bereits in einer früheren kleinen Abhandlung sind wir auf die Familie des Berschinus dictus Hustat ("Berthold, genannt der Hugstetter") von 1281 eingegangen und läßt sich nach Stand und sozialer Stellung kaum einordnen. Als Bertold Hustat kommt er zusammen mit einem Johannes von Hustat nach 1300 mehrfach in Holzhausen als Güterbesitzer vor, letzterer auch in Hugstetten selbst. Vermutlich handelte es sich um Angehörige einer Hugstetter Meierfamilie, zu der wir wohl auch Meier Lütolt von Hustat rechnen können, der 1299 zusammen mit Freiburger Bürgern als Urkundenzeuge auftritt, sowie den Erbleheninhaber Johannes der Swarze von Hustat von 1297.

Es bleibt also offen, wer den Bau der und des späteren Turms veranlaßt hatte. In Frage kommen auch die größeren regionalen Herrschaften. Gericht und Turm in Hugstetten gingen im 14. Jahrhundert anscheinend von den Üsenbergern zu Lehen. Von ihnen ist in einigen Marchorten Besitz und Rechte nachgewiesen - außer in Hugstetten auch in Hochdorf, Holzhausen und Neuershausen. Ihre Position in diesen Orten ist aber im einzelnen noch ungeklärt.

Hugstetten mit seinem Turm erscheint als ein bemerkenswert weit gegen die Stadt Freiburg vorgeschobener Üsenberger Stützpunkt. Die Burg - ob nun in Höhen- oder Tallage - beherrschte die Straße Freiburg - Kaiserstuhl an einer vergleichsweise schmalen Stelle zwischen Berg und altem Dreisamlauf. Denkbar wäre, daß sie zudem der Sicherung des Erzabbaus diente.

Als örtliche Lehensträger der Üsenberger, seit 1379 der Markgrafen von Hachberg, lassen sich die Kotz von Freiburg nachweisen. Hanman Kotz verkaufte das Lehen 1391 an den Ritter Ulrich Ruber, der 1399 das gericht ze Hustat ... und das hus, den turn da selbs von Markgraf Hesse von Hachberg, dem Besitznachfolger der Üsenberger, zu Eigen erwarb. 1406 erscheint Ruber auch im Besitz des österreichischen Lehens Buchheim. Offenbar hat er damals den turn ze Hustatt und die zwei dörffere Hustatt und Buochein an Hanman Snewlin von Landeck verkauft. Dessen Erben machten 1428 den Kauf vorübergehend rückgängig. 1430 siegelte Ruber, wohl als Herr in Hugstetten und Buchheim, noch den Nutzungsbrief der Waldgenossenschaft in der March. 1440 erscheint dann Hans von Landeck als Herr sämtlicher Marchorte außer Neuershausen.

Um diese Zeit ist der Hugstetter "Turm" anscheinend abgegangen, denn 1446 wird er als burgstall bezeichnet. Eine Hugstetten betreffende Urkunde von 1447 deutet vielleicht die Ursache der Zerstörung an. Kurz zuvor - so heißt es dort - sei die gantze Marck verbrant worden. Die Stelle könnte sich auf den Armagnakenzug von 1444 beziehen.

Die Herren von Landeck blieben bis 1491 im Besitz der Hugstetter Dorfherrschaft; dabei war der Ort offenbar dem Gericht und der Vogtei Buchheim zugeordnet. 1491 verkaufte David von Landeck zu Wiesneck Hugstetten zusammen mit der gesamten March an Conrad Stürtzel, den Hofkanzler Maximilians I. Als Mitglieder des vorderösterreichischen Ritterstands waren die Stürtzel von Buchheim bis zu ihrem Aussterben 1790 die Obrigkeit, 1730 - 1782 im Kondominat mit den Freiherren von Speidel. 1790 wurde der Kavalleriegeneral Heinrich Ludwig von Schackmin (Jacquemin) mit Hugstetten belehnt; sein Neffe Franz erbaute um 1800 das heutige Herrenhaus. Durch Einheirat gelangte die Familie von Andlaw-Birseck in den Besitz der Grundherrschaft. Maria, die Tochter des ultramontan-katholischen Politikers Heinrich Bernhard Carl von Andlaw-Birseck, heiratete den Freiherrn Hermann von Mentzingen, dessen Nachkommen das Hugstetter Schloß bis heute besitzen.


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