Geschichtliche Spurensuche

Eine Vogt-"Wahl" in Hugstetten anno 1787

von Thomas Steffens

Vor einiger Zeit wurde an dieser Stelle eine Dorfordnung der Stürtzel von Buchheim aus dem 18. Jahrhundert vorgestellt, die in Buchheim, Hochdorf mit Benzhausen und Hugstetten galt. Wie das Verhalten der "Untertanen", so wurde auch die Organisation der Dorfgemeinden durch die Herrschaft geregelt. Das betraf vor allem die "Gemeinde-Vorgesetzten", nämlich den Vogt (Dorfvorsteher), das Gericht (Vorform des Gemeinderats) und den "Heimbürger", der im 18. Jahrhundert vor allem die Funktion eines Rechners oder Kassenverwalters ausübte.

Nach einer Auseinandersetzung zwischen der Herrschaft Stürtzel und ihren Dörfern hatte die vorderösterreichische Regierung 1754 ein Urteil über die "Wahl" der Gemeindevorgesetzten erlassen. Daß dabei die Herrschaft – die "Obrigkeit" - auf Grund ihrer geschriebenen Rechte besser wegkam, versteht sich von selbst. Sie allein – so das Urteil - durfte die Gerichtsleute bestimmen. Und selbst wenn die Gemeinde ihrerseits allein den "Heimbürger" wählen durfte, so hatte dies "unter Vorsitz der Obrigkeit" zu geschehen. Was die Wahl des Vogts anging, schrieb das Urteil ein besonderes Verfahren fest. Die Bürger des Dorfes mußten "vier Subjecta (Personen)" vorschlagen, die sie für geeignet hielten. Davon konnte die Herrschaft "eines, so Ihro anständig", zum Vogt bestellen. War sie aber mit keinem der Kandidaten zufrieden, so "haben die Gemeinden so lang weiter Vorschläge zu thun, bis Eines der Obrigkeit anständig seyn wird."

Wie dies in der Praxis aussah und daß sich dabei neue Konflikte auftun konnten, zeigt das Beispiel Hugstettens gegen Ende des Jahres 1787. Hier waren soeben der Vogt Johann Graner und der "Richter" (Gerichtsmann) Martin Ettle von ihren Ämtern zurückgetreten, weil innerhalb des Gerichts Unfrieden herrschte und dadurch "der Gemeinde mehrer Nachtheil zuwachse, da sie von den Vorgesetzten nicht nach Schuldigkeit besorgt und vertreten werde".

Für den 26. Oktober 1787 hatte der in Buchheim residierende Stürtzelsche Amtmann Caluri die Vogtwahlen anberaumt, bei denen jeder voll berechtigte Ortsbürger seine Stimme abgeben konnte. Caluri nahm folgendes zu Protokoll: Nachdem er namens der Herrschaft die Gemeindeversammlung eröffnet hatte, zogen sich die Bürger in eine Ecke zurück, um über ihre Kandidaten für das Vogtamt zu beraten. Vorgeschlagen wurden schließlich Franz Joseph Quennet, Hans Georg Willmann und Michael Steyert. Diese hatten aber bei der Herrschaft schlechte Karten; Amtmann Caluri ließ die Bürger deshalb wissen, "daß man von Herrschafts wegen einen weiteren Vorschlag gewärtige."

Nach nochmaliger Beratung wurden Martin Tritsch, Joseph Graner und Mathias Strecker vorgeschlagen. Zugleich verkündeten die Hugstetter ihrem Amtmann: Wenn auch diese nicht "angenehm" sein sollten, dann möge doch die Herrschaft gleich selbst jemanden bestimmen, den sie als tauglich erachte. Die Bürgerschaft hoffe nur, daß dabei "der Gemeind Nutzen zum Augenmerk genommen und dadurch zu befördern gesucht werde". Sie hatte nun selbst die Initiative aus der Hand gegeben. Caluri, der auch die neuen Kandidaten nicht im Sinne der Obrigkeit fand, ging auf den Vorschlag bereitwillig ein und ernannte den "Libtigsmann" (Altenteiler) Mathias Metzger, einen tüchtigen Mann und mehrfachen Familienvater, zum Vogt.

Sofort opponierten einige Bürger gegen dessen Person. Er sei im Dorf umstritten; Joseph Ettle und Andreas Zehringer hätten – sogar vor versammelter Gemeinde – verschiedenes gegen ihn vorgebracht. Das müsse untersucht werden. Sollte es sich als wahr erweisen, dürfe Metzger der Gemeinde "als Vorsteher nicht aufgebürdet werden." Was für Vorwürfe im Raum standen, erfahren wir aus den Akten leider nicht. Zu vermuten ist, daß Metzger unter den Hugstettern einfach unbeliebt war – vielleicht deshalb, weil man ihn von vorn herein als Günstling der Herrschaft einschätzte. Caluri sicherte eine Untersuchung zu, vereidigte aber Mathis Metzger, der die Wahl offenbar ohne großes Zögern angenommen hatte. Er übergab ihm den Vogtsstab und ermahnte die Gemeinde, wie es üblich war, zum Gehorsam gegen ihn.

Davon konnte keine Rede sein. Die Vorbehalte gegen Metzger waren so stark, daß die Bürger kurz darauf nochmals selbständig zusammentraten – dies bereits ein Verstoß gegen die herrschaftliche Ordnung. Mathis Risch und Joseph Ettle wurden als "Deputierte" gewählt und erhielten eine Vollmacht: "Sie sollen für die Gemeind die Sach ausfechten wegen dem neuen Vogt Mathias Metzger, weil die Gemeind seiner für undauglich befindt, weil er ein alter Leibtigs Mann ist, weil die gantze Gemeind ihn nicht hat wollen. Jetzunder ist die Gemeind gesinnt, sie wollen bey der hochen Stell einkommen wider den neuen Vogt." Unterzeichnet ist das Dokument von 63 Bürgern.

Die "hoche Stell", an die man sich wenden wollte, war die vorderösterreichische Regierung in Freiburg. Zunächst aber wurden die Deputierten nochmals zu Amtmann Caluri geschickt, um ihn zur Rücknahme der Ernennung Metzgers zu bewegen. Dieser sah keinen Grund dafür, zumal die Gemeinde sich auch hier nicht klar über die Vorwürfe gegen Metzger äußerte. Wenn man gegen den neuen Vogt etwas vorzubringen habe, solle die Gemeinde schriftlich Klage einreichen. Dazu kam es aber offenbar nicht. Die Hugstetter, beraten von einem "Unterthans-Advocaten" – diese Regierungs-Instanz gab es speziell für Streitfälle zwischen Gemeinden und ihrer Herrschaft -, sahen von einem kostspieligen Prozess ab. Sie arrangierten sich schließlich mit dem Vogt Mathis Metzger, jedenfalls hat er dieses Amt mehrere Jahre lang versehen können.

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