Geschichtliche Spurensuche

Das Freiburger Heiliggeistspital und sein Besitz in der March

von Thomas Steffens 

Eine soziale Institution der Stadt

Das Heiliggeistspital war die älteste und reichste Wohlfahrtseinrichtung der Stadt Freiburg. Erwähnt wird ein Spital schon in einer Stadtrechtsurkunde von 1220; 1255 erscheint es erstmals als "Heiliggeistspital". Das große Anwesen stand bis zu seinem Abbruch 1823 westlich des Münsterplatzes, wo sich heute das Kaufhaus Breuninger befindet.

Das Spital war ein Kranken- und Entbindungshaus, aber vor allem auch eine Art Alters- und Pflegeheim, in dem sogenannte "Pfründner" ihren Lebensabend verbrachten. Diese Frauen und Männer hatte sich durch den Erwerb einer "Pfründe" – eines Dauerplatzes – eingekauft und dafür oft ihren ganzen Besitz hingegeben. Es gab drei Klassen von Pfründen. Eine "Armenpfründe", bei der es eher kärglich herging (Gemeinschaftskammer, Arbeitspflicht im Spital, knappes Essen) kostete immer noch die beträchtliche Summe von 50 Gulden. Für eine "Mittelpfründe", deren Erwerb zumindest eine eigene Kammer garantierte, mußten je nach Lebenserwartung 100 bis 150 Gulden bezahlt werden. Für den "Herrenpfründner" standen zwei Zimmer zur Verfügung, und er durfte am "Herrentisch" in Gesellschaft der Spitalmeister und Priester ein besseres Essen genießen. Dafür waren aber auch 200 bis 250 Gulden bar oder als Liegenschaftsbesitz in die Spitalkasse einzubringen.

Nicht nur Stadtbürger kauften Pfründen, sondern auch Landleute aus der Umgebung. Beispielsweise hatten am Ende des 15. Jahrhunderts Jakob Oberriedt aus Buchheim und seine Frau Barbara jeweils eine Mittelpfründe für zusammen 240 Gulden gekauft. Nachdem der Mann 1501 verstorben war, mußte die Witwe für sich allein noch 102 Gulden bezahlen.

Verwaltet wurde das Heiliggeistspital durch einen fest angestellten "Spitalmeister". Die Oberaufsicht hatte aber der Stadtrat, der als seine Vertreter drei "Spitalpfleger" ernannte. Es waren ausgesprochene Ehrenämter, die mit Adligen, vormaligen Bürgermeistern oder Obertzunftmeistern besetzt wurden. So war etwa 1478 bis 1484 Junker Wilhelm voll Lichtenfels, der Herr zu Neuershausen, oberster Spitalpfleger.

Das Leben der Spitalbewohner war religiös geprägt; die Pfründner bildeteten, zusammen mit den Spitalsgeistlichen und dem Personal, eine Bruderschaft zum Gebet und Totengedenken. Das Spital galt wie die Klöster als Gotteshaus und empfing wie diese großzügige Stiftungen. So wurde es seit dem 13. Jahrhundert zu einer wohlhabenden Einrichtung mit großen Zins- und Güterbesitz in weitem Umkreis um Freiburg. Zwei dieser Besitzschwerpunkte waren Hugstetten und Neuershausen, wo das Heiliggeistspital seit dem 14. Jahrhundert eigene größere Wirtschaftshöfe besaß.  

Der Besitz des Spitals in Hugstetten

Im allgemeinen wird das erstmalige Auftreten des Spitals in Hugstetten mit dem Jahr 1311 verbunden. Damals erwarb es von dem Neuenburger Bürger "Peter dem Brenner" für 42 Mark Silbers dessen Hof zu "Hustat" (Hugstetten), den der Brenner selbst einst von Cuonrat Kozze gekauft hatte. Die aus Freiburg stammende Adelsfamilie Kozze, die sich gelegentlich mit dem Namenzusatz "von Hugstetten" schmückte, besaß die Dorfherrschaft und die Hugstetter Burg, deren Standort noch ungesichert ist.

Die Beziehungen des Spitals zu Hugstetten müssen aber älter gewesen sein. Bereits 1299 bezeugte "Meier Lütolt von Hustat" eine Urkunde des Spitals, was kaum ein Zufall sein kann. Ein Meier war gewöhnlich ein wohlhabender Bauer, der in seinem Wohnort den Hof eines Grundherrn bewirtschaftete. Für den Landmann war es damals aber nicht selbstverständlich, in Gesellschaft vornehmer Stadtbürger eine Urkunde zu beglaubigen. Wir müssen annehmen, daß das Spital schon 1299 Besitz in Hugstetten hatte und daß Meier Lütolt der dortige, vom Spital besonders geschätzten Gutsverwalter war. Sicher deshalb wird "Lütoltz des Meigers von Hugstatt und seiner Wirtin (Ehefrau)" auch im Anniversar-(Jahrzeiten-)Buch des Spitals gedacht; dort ist übrigens belegt, daß beide Besitz in der Stadt hatten.

Wie sich dies auch immer verhalten hat – jedenfalls erwarb das Spital sechs Jahre nach dem Kauf des "Brenner"-Hofes seinen nächsten Besitz in Hugstetten. 1317 verkaufte ihm der wohlhabende Freiburger Bürger Johannes Aederli, genannt "von Stuelingen", für 41 Mark Silbers sein Hofgut "ze Hustat", das ein Anwesen von einer halben Jauchert Umfang sowie 21 Jauchert Acker und 6 Jauchert Matten umfasste. Aederli besaß das Gut als ein Lehen (Leihegut) des Grafen Conrad von Freiburg und hatte diesen vor dem Verkauf erst um Erlaubnis fragen müssen. Graf Conrad erklärte sich einverstanden, nachdem Aederli Güter, die ihm bisher als Eigentum gehört hatten, dem Grafen übergeben und von ihm wiederum als Lehen erhalten hatte.

Vielleicht hat das Spital diese beiden Höfe nunmehr zusammengelegt. Jedenfalls bildeten sie einen Grundstock für den weiteren Erwerb von Grundzinsen, d. h. bäuerlichen Abgaben. !331 werden einige Hugstetter Bauerngüter erwähnt, die dem Spital zinspflichtig waren: "Blüwels Acker, des Beischers Gut, des Widelins Gut, der Bischoffinen Gut, Meier Lütoldes Gut - da ist er also wieder! - und Berhtoldes des Bannwartes Gut". Die benannten Leute mußten ihre Kornabgaben in den Spitalhof liefern, wo sie der Meier in Empfang nahm, begutachtete und die vom Spital jeweils benötigten Mengen in die Stadt brachte.

Offenbar wirtschaftete der Hugstetter Spitalhof so gut, daß es dem Spital rentabel erschien, einen ihm gehörigen Hof in Hochdorf 1335 zu verkaufen und eine Roggenabgabe, die es dort einzog, nach Hugstetten liefern zu lassen. 1377 wird "Henni Sigerist von Holtzhusen" als Hugstetter Spitalmeier erwähnt, ein tüchtiger Mann, der sich zusätzlich Gewinn – und Arbeit – verschaffte, indem er 1377 noch den Hugstetter Hof des Junkers Andres Kozze in erblicher Leihe übernahm. Dieser lag praktischerweise dem Spitalhof gegenüber, dessen damaliger Standort allerdings bisher unbekannt ist.

Um 1430-40 legte das Heiliggeistspital ein umfangreiches Zinsbuch an, in dem auch die Einkünfte der Spitalhöfe in Hugstetten und Neuershausen verzeichnet sind, ebenso wie die Gewanne, wo die Zinsgrundstücke lagen. Es finden sich hier viele frühe Hugstetter und Neuershauser Flurnamen. Den Neuershauser Hof hatte das Spital ebenfalls im 14. Jahrhundert erworben, aber etwas später als den Hugstetter. Dazu aber später.

Als das Zinsbuch niedergeschrieben wurde, saß auf dem Hugstetter Hof der Meier Hans Küffer. Das Spital hatte ihm den Besitz 1431 urkundlich und erblich verliehen. Wie bei solcher Erbleihe üblich, hatte der Meier an den Eigentümer einen festen Leihezins abzuführen – in Hugstetten jährlich 13 Mutt Roggen. Was er darüber hinaus erwirtschaftete, durfte er behalten. Meist hielten solche Erblehenbriefe noch weitere Punkte fest: Baupflichten des Meiers an Haus und Scheuern, Viehhaltung und Düngung der Felder, auch das Recht des Eigentümers, den Meier bei groben Pflichtverletzungen zu entlassen.

Die Schwierigkeiten und Nöte, mit denen solche Hofmeier manchmal konfrontiert waren, lässt eine Urkunde vom 14. März 1447 erahnen. Der Neuershauser Spitalmeier Clewy Deck hatte bis vor einiger Zeit zusätzlich auch den Hugstetter Spitalhof bewirtschaftet. Als es sich aber infolge eines Krieges oder einer Fehde "gefügte, das die Marck verbrannt wurde", die Marchorte also schweren Schaden litten, hatte Deck den Hugstetter Hof aufgeben müssen. Allerdings hatte ihm das dortige Dorfgericht im Namen des Herrn Hans von Landeck – gleichsam als Entschädigung für verlorene Mühe - gestattet, eine Wiese dieses Hofes weiterhin zu nutzen. Diese Entscheidung wurde jedoch vom Spital als Eigentümer in Zweifel gezogen und vor dem Schultheiß und Rat zu Freiburg zur Verhandlung gebracht. Wie sie letztlich ausging, ist leider unbekannt.  

Der Spitalbesitz in Neuershausen und Buchheim

Anders als in Hugstetten, wo eine genauere Erforschung des Spitalbesitzes noch aussteht, sind wir über seine Entwicklung in Neuershausen recht gut informiert. In der Neuershauser Chronik von 1989 hat Dorothee König-Ockenfels angenommen, daß er auf Güter des Klosters Gengenbach zurückging. Gengenbach ist seit 1139 als Besitzer von umfangreichem Grund und Boden in Neuershausen bezeugt. Spätestens 1254 besaß es nachweislich auch den Kirchenpatronat, es setzte also die Neuershauser Pfarrer ein. Irgendwann nach 1287 hat das Kloster Gengenbach aber den Neuershauser Besitz abgestoßen, und er kam vermutlich mittelbar an das Heiliggeistspital.

Tatsächlich finden wir in der Folgezeit einige ehemals gengenbachische Rechte im Besitz des Spitals, insbesondere den Kirchenpatronat. Diesen hatte das Spital 1314 erworben. Von da an bis 1803 durfte das Spital die Neuershauser Pfarrer einsetzen (genauer: Es schlug dem Bischof von Konstanz Kandidaten zur Einsetzung vor!). Ein besonders einflussreicher und wohlhabender Neuershauser Pfarrherr um 1350 war Rudolf Rintkauf, der aus einer Freiburger Patrizierfamilie stammte. Wahrscheinlich führte ihm seine Schwester Elisabeth, verwitwete Dreischilling, den Haushalt. Beide haben sowohl für das Heiliggeistspital als auch für die Kirchen in Neuershausen und Buchheim Stiftungen getätigt.

Das Spital muß aber, als es 1314 den Kirchenpatronat erwarb, schon Besitz in Neuershausen gehabt haben. Denn 1312 mußte sich der Ritter Wilhelm Colman urkundlich verpflichten, Schaden zu ersetzen, den er dem Spital zu "Nüwershusen" zugefügt hatte. In den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts hat das Spital seinen Neuershauser Grundbesitz vor allem dadurch ausgebaut, daß ihm von reichen Freiburger Bürgern hier liegende Güter gestiftet wurden. So etwa 1320, als der Stadtbürger "Guotman der Hevenler" einen Zins von Weizen, Gerste und einem Kapaun jährlich "zu einem Almosen" an das Spital schenkte. Den Zins zahlte "Meiger Genseli zu Nüwershusen" von den Gütern eines Hofes, den er als Erblehen bewirtschaftete.

Wie in Hugstetten besaß das Spital auch in Neuershausen einen Hof, den es bis in die Neuzeit hinein behielt. Dieser Hof lag im 16. Jahrhundert "zwischen dem Kirchhof und dem Pfarrgarten", also wohl nordwestlich der Kirche. Ob es der alte Neuershauser "Dinghof" war, zu dem wichtige weltliche Herrschaftsrechte im Dorf gehörten, steht dahin. Es ist zu bedenken, daß das Spital außer dem Kirchenpatronat solche Rechte hier nicht ausgeübt hat.

Möglicherweise handelte es sich um einen sogenannten "Widumhof", der schon vom Kloster Gengenbach im 12. oder 13. Jahrhundert zum Ausstattungsgut der Neuershauser Kirche gewidmet worden war. Vielleicht war es aber auch ein anderer Hofbesitz, den ein gewisser in Waldkirch beheimateter, aber in Freiburg verbürgerter Johann Nüchterling 1330 innerhalb weniger Monate in Neuershausen systematisch "zusammengekauft" hatte. Seine Schwester "Bening" (eigentlich: Benigna) Nüchterlingin erbte das Gut nach Johanns Tod und übergab es 1374 dem Spital. Dieses versprach Benigna, ihr ein jährliches "Leibgedinge" von Weizen, Wein und Geld zu zahlen.

Seinen Neuershauser Hof hinter der Kirche besaß das Spital im Grunde noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein; allerdings war seit 1803 der Kirchenpatronat nicht mehr damit verbunden, und der Hof selbst war unter mehrere Neuershauser Bauern aufgeteilt.

Weniger bekannt ist, daß das Spital im 16. Jahrhundert auch Einkünfte von der Buchheimer Mühle einzog. Das erfahren wir 1514, als "Jos Schilling, sesshaft zu Buechen", seinem "Tochtermann" Moritz Vischer, ebenfalls aus zu Buchheim, die Mühle mit "Wasserfall, Haus, Hof, Scheuer, Gärten und Zubehör" verkaufte. Junker Conrad Stürtzel, der Sohn des Kanzlers Conrad, hat die Urkunde gesiegelt. 1533 verkauften die Kinder dieses Moritz Vischer die Mühle weiter an Conrad Schilling aus Hochdorf.
 

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